Steuerfortentwicklungsgesetz: Wenig Gutes für die Zivilgesellschaft

Presseinformation | 25. Juli 2024 | Für die Zivilgesellschaft enthält das Steuerfortentwicklungsgesetz entgegen den Ankündigungen keine nennenswerten Verbesserungen

Das Bundeskabinett hat gestern dem am 11. Juli veröffentlichten Referentenentwurf für das Jahressteuergesetz 2/2024 – in letzter Minute als Steuerfortentwicklungsgesetz neu betitelt und mit einigen Maßnahmen aus dem Wachstumspaket angereichert – zugestimmt und ihn dadurch zum Regierungsentwurf gemacht, der nun in das parlamentarische Verfahren eingespeist wird. Dazu aufgeforderte Stellen hatten zuvor für Stellungnahmen eine Frist von einer Woche (!) eingeräumt bekommen. Eine ernsthafte Debatte hat es zumindest zu den für die Zivilgesellschaft wichtigen, in Art. 8 und 9 niedergelegten Abschnitten des Entwurfs nicht gegeben, schon gar nicht, wie es der Koalitionsvertrag angekündigt hatte, „mit der Zivilgesellschaft“, obwohl von Verbänden und Experten seit 11. Juli zahlreiche Äußerungen dazu vorliegen.

Für sie geht es um folgendes:

  1. 8 und 9 sehen ein paar kleine Erweiterungen des Katalogs gemeinnütziger Zwecke vor. Außerdem soll es zeitnah eine Ergänzung zum gemeinnützigen Journalismus geben, die dann in den Anwendungserlaß zur Abgabenordnung aufgenommen wird.
  1. Nach Art. 8 soll steuerbegünstigten Körperschaften künftig gestattet sein, gelegentlich zu allgemeinen politischen Themen Stellung zu nehmen. Das klingt nach einem Schritt in die richtige Richtung, ist es aber nicht. In der Begründung wird nämlich herausgestellt, daß die Zivilgellschaft nach Auffassung des Bundesfinanzministers nach wie vor kein politisches Mandat hat: „Vereinzelte Äußerungen zu tagespolitischen Themen außerhalb des Satzungszweckes verstoßen (…) grundsätzlich gegen das Ausschließlichkeitsgebot.“ Gönnerhaft wird dann lediglich zugestanden: „Allerdings rechtfertigen geringfügige Verstöße unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und dem ihm innewohnenden Bagatellvorbehalt nicht die Aberkennung der Gemeinnützigkeit. (…) Gelegentlich bedeutet jedoch nicht, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu politischen Themen zu äußern.“ Was „gelegentlich“ in der Praxis heißt, bleibt unklar. Der Ermessensspielraum einzelner Behörden und Beamter ist allzu groß. Dazu wird recht vage auf die „Diskussion im parlamentarischen Verfahren“ verwiesen.
  1. Nach Art. 9. wird die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung vollständig beseitigt. Zur Begründung heißt es: „Die Abschaffung der Zeitvorgaben für die Mittelverwendung führt zum Abbau bestehender Bürokratie, da eine Mittelverwendungsrechnung nicht mehr erforderlich ist.“ Was das soll, ist völlig unklar. Wer seinen Verein oder seine Stiftung ordentlich geführt hat, konnte mit den bisherigen Regeln gut leben. Jede zivilgesellschaftliche Organisation braucht aber nach allen Grundsätzen einer good governance eine Mittelverwendungsrechnung als Steuerungsinstrument. Der Bürokrateiabbau findet insoweit allenfalls bei der Finanzverwaltung statt.

Es ist kein Wunder, daß Experten und Verbände die Abschaffung dieser Vorschrift noch nie ernsthaft gefordert haben. Sie ist ein Schritt in die falsche Richtung, weil sie den Kritikern der Zivilgesellschaft und insbesondere des Stiftungswesens scharfe Munition liefert: Die Neuerung nützt denen, die die Steuerbefreiung mißbrauchen, um Vermögensspeicher oder gar Vermögensverstecke zu generieren. Ist diese Desavouierung der Zivilgesellschaft durch die Hintertür am Ende beabsichtigt? Oder haben wirtschaftsnahe Lobbyisten das Ohr des Finanzministers gefunden?

Rupert Graf Strachwitz, Gründer und Senior Strategic Advisor der Maecenata Stiftung, sagte: „Legitimität, Transparenz und Verantwortlichkeit sind Herausforderungen der modernen Zivilgesellschaft. Diese braucht, um ihnen begegnen zu können, einen modernen, aber eben auch einen durchdachten Rahmen; sie ist keine Spielwiese, auf der sich Politiker austoben können. Und wohlgemerkt: Es geht bei alldem nicht um mehr Geld aus der Staatskasse, sonden um ein wichtiges und notwendiges Stück Ordnungspolitik. Man kann es nicht oft genug sagen: Die resiliente Demokratie gibt es nur mit einer aktiven, starken Zivilgesellschaft und mit ihrem politischen Mandat.“

Das hat diese Bundesregierung ganz offenkundig nicht verstanden. Sie will an der überkommenen, aber auch überholten Ordnung nichts ändern. Zivilgesellschaft ist für sie kein Partner für Demokratie, sondern allenfalls ein billiger Dienstleister, und so soll es nach Meinung des Kanzlers und seiner Minister auch bleiben.

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Für Rückfragen und Auskünfte:
Lisa Klisch, Leitung Kommunikation
lik@maecenata.eu

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Die Maecenata Stiftung ist ein unabhängiger Think Tank zum Themenfeld Zivilgesellschaft, Bürgerengagement, Philanthropie und Stiftungswesen. Sie versteht sich als Wächterin und Stimme der Zivilgesellschaft und tritt für deren transnationale Stärkung und für eine offene Gesellschaft in Europa und darüber hinaus ein.

 

Rupert Strachwitz

Dr. phil. Rupert Graf Strachwitz

Vorstandsmitglied der Maecenata Stiftung
rs@maecenata.eu

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